Mai 2005, kurz vor der E3
Ich weiß gar nicht wie es draußen aussieht, ich habe die Firma seit
2 Tagen nicht mehr verlassen. Letzte Nacht habe ich im Aufnahmeraum geschlafen.
Morgen fangen wir mit dem Endmix des Cinematics an (aus dessen anfänglichen
2 Minuten nun 4,5 Minuten geworden sind....). Ich habe 10 ProTools Sessions, die
alle zusammengefügt, gegliedert und abgemischt werden müssen. (Anm. d. Red.: ProTools
ist ein professionelles Audio Programm) Außerdem bekommen wir heute
Abend neue Visual Effects - das heißt noch mehr Material das geschnitten
werden muss.
Ich fange damit an die einfacheren Sessions zusammenzufügen. Das ist
der Prozess bei dem ich eine 64 - 96 Spuren Session nehme und alles auf (hoffentlich)
10 - 20 Spuren reduziere. An diesem Punkt wieder zurückzugehen ist teuer
und zeitaufwendig. Ich möchte sicherstellen, dass der Mixer genug Material
hat, um gut zu arbeiten, aber nicht soviel als dass er sich verzetteln könnte.
Einige Sachen sind einfach.
Ich finde eine Serie von Schritten über 3 Spuren. Eine schnelle erneute
Aufnahme reduziert die auf eine. Andere Sachen sind schwer.
Der Sound der Waffe des männlichen Templers ist aus 4 Elementen gemacht.
Ich bin nicht sicher welche am Ende gegen die Musik anklingen muss, also lasse
ich sie aufgeteilt.
Es geht auf Mitternacht zu und ich ändere mein Arbeitstempo für eine
Weile. Die neuen Visual Effects enthalten eine sich aufladene Rüstung.
Ich habe keine Zeit etwas Neues aufzunehmen also werde ich mich auf meine Bibliothek
verlassen müssen. Deswegen ist es so wichtig jeden Sound zu katalogisieren..
Ich brauche einen nutzbaren Effekt JETZT!
Ich beginne meine Suche mit "Telemetrie", was in meiner Welt den Sound
beschreibt, den Computergrafiken in Filmen haben (also diese Geräusche, die
nie im richtigen Leben auftauchen). Die ersten paar Sounds sind schlimm. Sie
sind aus einer Bibliothek voller Sounds aus der Werbung und hätten sich
vor 30 Jahren echt gut in einem Science Fiction Film gemacht. Nach ein paar
erfolglosen Suchen bekomme ich Angst, dass ich vielleicht ein Problem haben könnte.
Aber ich bekomme keine Panik. Manchmal, wenn ich nicht weiter komme, höre
ich mir zufällige Sounds aus den Bibliotheken an, um mich zu inspirieren.
Ich finde "Kamera - 35 Millimeter Canon - Auslöser Sound". Werde
ich Kamera Sounds benutzen? Nein. Dann fällt mir ein, dass ich letzten
Monat aus Langeweile den Sound meiner Digitalkamera aufgenommen habe. Der perfekte
Sound! 10 Minuten später bin ich fertig.
Jetzt ist es spät in der Nacht (oder früh am Morgen). Ich habe alle
Sessions abgemischt und fange an sie ins richtige Verhältnis zu bringen
während ich die letzten Feinarbeiten am Sound mache. Auf einen Tipp eines
Kollegen hin habe ich um Mitternacht rum einen Redbull getrunken und habe eine
immer volle Kaffeetasse neben mir, um bis zum Sonnenaufgang durchzuhalten. Jetzt
bin ich voll dabei. Der Schuss ist zu laut, muss leiser. Diese Sequenz hat zu
viele "Bangs", da müssen noch welche wieder rausgeschnitten werden. Dieser
Zombie kommt von rechts, seine Stimme muss auch von rechts kommen. Die Änderungen
kommen schnell. Um etwa 6 Uhr Morgens nehme ich eine Pause und gehe ein wenig
vor die Tür. Die frische Luft tut gut. Um 9 Uhr bringt mich ein Produzent
nach Hause, wo ich Duschen und Zähneputzen kann, bevor ich wieder zurück
muss, um den finalen Mix zu machen.
Jeden Tag wenn ich in die Firma komme bin ich auf fast alles vorbereitet. Diese
immer unterschiedlichen Aufgaben sind der Grund, warum ich diesen Job so liebe.
Anstatt nur eine Sache zu machen, z.B. nur Dialoge mixen, bin ich hier an jedem
einzelnen Sound in diesem Spiel beteiligt. Manchmal ist es eigentlich zu viel,
aber dann ist es wichtig einen klaren Kopf zu behalten. Alles was ich als Ausgleich
möchte, ist ein steuerbarer Kampfjet im Spiel. "Hallo, Colonel? Haben
sie einige F-22 auf der Base? Haben sie, super! Ich würde sie da gern um
einen Gefallen bitten...."
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