Dezember 2005
Es ist 10 Uhr morgens und ich quäle mich durch den wohl langweiligsten Teil
meiner Arbeit: Effekte mastern. Dies wird häufig von Praktikanten oder neuen
Angestellten gemacht, aber da ich ja der einzige Audio-Mann hier bin muss ich
auch die einfachsten Sachen machen. Es kommt mir so vor, wie die ganzen nervigen
Aufgaben die mir mein Geschichtslehrer in der Schule immer gegeben hat...viel
Arbeit mit wenig Freunde daran. Ich arbeite an den Windgeräuschen und allen
anderen externen Geräuschen wie Vogelgezwitscher, vorbeifahrende Autos müssen
rausgeschnitten werden. Aber das Meiste sind Vögel.
Zwitscher, Schnitt, Zusammenfügen. Zwitscher, Schnitt, Zusammenfügen.
Zwitscher, Schnitt, Zusammenfügen. Das werde ich die nächsten zwei Tage
lang machen. Um nicht total wegzutreten dabei mache ich immer mal wieder andere,
kleinere Arbeiten.
In der ersten Pause rede ich mit einem Programmierer über Sounds für
Nahkampfangriffe. Wir haben derzeit kein Modell um Geräusche mit dem Moment
zu verbinden an dem z.B. ein Monster zuschlägt. Wir gehen den ganzen Prozess
durch, wie alles funktionieren soll und zu welchen Daten ich Zugang haben muss.
Sobald er davon eine genaue Vorstellung hat, gehe ich zurück zu meinen
Vögeln. Nach einer weiteren halben Stunde gehe ich zu meinem Musik-Produzenten,
mit dem ich die nächsten 6 Monate diskutiere, ausarbeite was von dem Spiel
fertig für die Musik ist und wie viel Musik in die jeweiligen Gebiete kommen
soll. Das alles nimmt etwa 45 Minuten ein und dann muss ich wieder zurück
zu dem Vogelgezwitscher. Unser Lead Designer kommt rein und sagt mir welcher
Sound ihn stört und warum. Ich lasse die Vögel wieder ein paar Minuten
alleine, während ich das Geräusch aus dem Spiel entferne. "Kein
Bedarf es zu ersetzen," sagt er. Sehr gut. Zurück zu den Vögeln.

An diesem Punkt bin ich total genervt von den Vögeln. Aber es ist ein
wichtiger (und absolut zeitraubender) Teil vom Sound Design Prozess. Ein Windgeräusch
mit Vögeln drin geht einfach nicht. Im postapokalyptischen London gibt
es keine Vögel und wenn welche zu hören wären, würde das
die Spielatmosphäre zerstören. Erst wenn alle externen Geräusche
aus dem Soundfile rausgeschnitten sind kann ich es in die Sound Bibliothek legen.
Um 15 Uhr herum brauche ich eine längere Pause. Wir haben Animationen
für ein neues Monster, Morpho Jr., welches schon bald im Spiel sein wird.
Ich fange an seine Stimmsounds zu designen. Als erstes sammle ich alles Material
was für ihn passen könnte, dann sortiere ich es nach emotionaler Qualität.
Dieser Teil ist aggressiv, dieser Teil ist todesähnlich, der dritte hat
weinerliche Ansätze, der vierte klingt verwirrt.
Der Audio Programmierer kommt kurz rein mit ein paar Fragen zum Musik Playback
System. "Wie willst du unsere Hauptthemen verwenden?" Heraus kommt
ein White Board auf dem wir einen Song "aufmalen". Es wird drei verschiedene
Arten geben die Hauptthemen zu verwenden: 1. Alleine, 2. Sound und Thema zusammen,
3. Den Sound langsam durch ein Thema ersetzen. Bevor er geht erzählt er
mir, dass die Animationen von Morpho Jr. neu gemacht werden müssen, also
höre ich auf an seinem Sound zu arbeiten.
Ich beende den Tag damit, mit den Vögel fast fertig zu sein. Morgen werde
ich den Rest machen und das Soundfile in unsere Bibliothek einfügen. Jeder
verschiedene Windsound (es sind 11) bekommt einen eigene Beschreibung: "Wind
- Hart - Stoß - Flüstern - Leicht bis zu Stark usw." Außerdem
füge ich Informationen hinzu wann und wo die Sounds eingesetzt werden sollen.
Ich habe mit 61 Minuten Material angefangen, jetzt nach 1000 Schnitten habe
ich noch 38 Minuten nutzbarer Sounds.
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