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Killerspiele

Ich selbst bin weder ein begeisterter Fan noch ein großer Befürworter von Shooter-Spielen. Während ich im LAN immer wieder gerne ein, zwei Fun-Matches unter Freunden spiele, haben meine Erfahrungen mit den Online-Communities mich stärkstens abgeschreckt. Mein Interesse an diesen Spielen ist nun wieder geringer denn je zuvor, besonders deshalb, weil mich diese "Religion" rund um den »Skill« wirklich anwidert. Ich wäre wohl der letzte Mensch, der Shooter-Spiele nach einem Verbot vermissen würde, und eigentlich könnte es mir völlig gleichgültig sein. Dennoch will ich hier für diese Spiele und gegen die weitverbreiteten Vorurteile und Fehlinformationen Stellung beziehen.

Woher stammt die ganze Diskussion eigentlich?

In meinen Augen ist es ein ganz typisches Beispiel des uralten, ewigwährenden Generationenkonflikts. Das Umfeld, in welchem die Jugend lebt, verändert sich, und immer wenn etwas neues auftaucht, das die Eltern nicht aus ihrer eigenen Kindheit/Jugend kennen, reagieren sie mit Besorgnis und Befürchtungen. Diese Fürsorge ist völlig normal und verständlich - und der Mensch empfand schon immer Angst vor allem, was er nicht kannte, nicht verstehen oder erklären konnte. Auch das ist nicht weiter ungewöhnlich.

Bedenklich wird die Sache erst dann, wenn versucht wird, die Ängste der Menschen gezielt auszunutzen. Das Spiel mit der Angst macht Menschen manipulierbar und erlaubt es, Dinge durchzusetzen, die sonst keine Zustimmung finden würden. Beispiele dafür gibt es genug, auch in der aktuellen Weltpolitik. Besonders in der Politik ist es traurige Gewohnheit mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Die Angst vor Terroranschlägen wurde für einen Irakkrieg missbraucht, die Angst vor Arbeitslosigkeit ist der häufigste Deckmantel für Fremdenfeindlichkeit, und jetzt muss die Angst vor Amokläufen in Schulen für ein "Killerspielgesetz" herhalten. Aber das ist nicht das erste Mal, das genau dieser Generationskonflikt - diese Angst der Eltern vor etwas, das sie selbst nicht kennen - politisiert und zum Stimmenfang missbraucht wird.

Genau dasselbe passierte mit dem Rock'n'Roll. Damals war die Welt noch um einiges konservativer, und alleine der Slogan "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" versetzte viele Eltern in blanke Panik. Christliche Organisationen stempelten diese Musik als ein Werk des Teufels ab, und konservative Stimmen wollten ihn tatsächlich verbieten lassen, da er die Jugend gefährde. Die Eltern hatten einfach Angst und waren deshalb leicht in Schrecken zu versetzen. Aber eine Generation später konnte das schon nicht mehr funktionieren, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Eltern bereits selbst mit dieser Teufelsmusik aufgewachsen, und hätten nur noch gelacht, wenn ein Politiker erklärt hätte, Elvis Presley sei eine Gefahr für die Kinder.

Mit Hollywood war es nicht anders. Also das Kino und später das Fernsehen zum ersten mal so richtig aufblühten, und dann Actionfilme in Mode kamen, ging ein Aufschrei durch die Nationen. "Gewaltverherrlichung, Brutalität, die Kinder werden verdorben!" Auch diese Panikmache zeigte nur für eine Generation ihre Wirkung, denn die Eltern der nächsten Generation wussten bereits aus eigener Erfahrung, dass Actionfilme niemanden zum Mörder machen. Man hatte gelernt damit umzugehen und die Filme mit Altersbeschränkungen zu versehen.

Und nun erleben wir ganz genau dasselbe wieder von Neuem: Die Computerspiele sind ein sehr junger Zweig der Unterhaltungsindustrie. In der Kindheit und Jugendzeit der heutigen Eltern hat es so etwas einfach noch nicht gegeben. Die Eltern kennen es nicht, verstehen es nicht, und können es sich einfach nicht erklären, warum es so eine Faszination ausübt. Aber die Kinder von Heute sind die Eltern von Morgen, und in spätestens zehn bis zwanzig Jahren werden fast alle Eltern ihre eigenen Erfahrung mit Computerspielen haben, und sich auch zutrauen, ihren Kindern den richtigen Umgang damit beizubringen. Aber noch ist es nicht soweit. Noch herrschen Unsicherheit, Besorgnis und Befürchtungen. Ein gefundener Nährboden für Falschinformationen und Panikmache.

Was sagt die Wissenschaft?

Im März vor einem Jahr fand an der FH Köln unter dem Namen "Clash of Realities – Computerspiele und soziale Wirklichkeit" eine hochkarätig besetzte wissenschaftliche Konferenz zu diesem Thema statt. Experten aus den verschiedensten Wissensgebieten der Psychologie und den verschiedensten Ländern der Erde trafen zusammen, um das Thema ausführlich zu erörtern und die wichtigsten Ergebnisse bisheriger Forschungen zu präsentieren. Das Ergebnis: völlige Entwarnung. Die Presse betitelte die ganze Veranstaltung daher dann auch als den "Beruhigungskongress", und tatsächlich schaffte er es, das Thema zu beruhigen. Zumindest bis zum nächsten Amoklauf.

Unter anderem wurden Studien über Aggressionsforschung mittels Hirnstrommessungen gezeigt. Es ist sehr genau bekannt, in welchen Bereichen des Gehirns Wut und Aggressionen entstehen, und welche Muster welche Bedeutungen haben. Auch Verhaltensstörungen in diesem Bereich sind bereits so messbar. Diese Hirnstromanalysen wurden auch auf Shooter-Spieler angewandt. Das Ergebnis: Der Zustand im Gehirn beim Spielen eines solchen Spieles ist völlig identisch mit der Wut, die man empfindet, wenn man unerwartet unfreundlich angeschnautzt wird, oder sich im Straßenverkehr über andere Verkehrsteilnehmer oder rote Ampeln ärgert. Die Stärke der Aggression ist relativ gering, beim ansehen eines Actionsfilmes kann sie um ein vielfaches höher ausfallen. So schnell die Wut auftaucht, so schnell verraucht sie auch wieder: Bereits 20 Minuten nach Ende des Spieles ist absolut nichts mehr nachweißbar/messbar. Auch nimmt bei regelmäßigem Spielen die stärke der Aggression ab. Erfahrene Spieler sind bereits viel mehr auf die Spielmeachnik und weniger auf die Gewaltdarstellung konzentriert, als Anfänger. Umso öfter man spielt, umso geringer also der Effekt.

Sozial- und Verhaltenspsychologen betrachteten die ganze Sache natürlich aus einem völlig anderem Blickwinkel. Ihre Untersuchungen konzentrierten sich eher auf Lerneffekte, Verhaltensmuster und soziale Auswirkungen. Auch hier gab es keine Langzeitwirkungen zu erkennen. Das Spiel als ein mögliches Ventil für in ganz anderen Bereichen des Lebens aufgebaute Aggressionen wurde sogar positiv bewertet. Der einzige Kritikpunkt war, dass Gewaltanwendung in den Spielen belohnt und als universelles Problemlösungsmittel dargestellt würde. Dazu wurde aber ausdrücklich betont, dass geistig gesunde Kinder und Jugendliche sehr wohl ausreichend zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden können, und dies höchstens bei einer bereits bestehenden psychischen Störung eine Gefahr darstellen kann.

Auch viele positive Aspekte von Videospielen wurden aufgezählt: Sie bieten für das psychische Wohlbefinden sehr wichtige Erfolgsmomente. Sie fördern die Entwicklung des Gehirns und sind ein ausgezeichnetes Vorbeugemittel gegen altersbedingten, geistigen Verfall - ich freue mich jetzt schon auf mein Pensionistenheim mit Opa-Dauer-LAN-Party XD. Spiele wurden als ein optimaler Weg zur Vermittlung von Wissen bezeichnet. Möglicherweise gibt es ja bald schon ein historisch akkurates Rollenspiel, in welchem man wirklich etwas über das Leben im Mittelalter lernt? Also ich fände das sehr interessant! Aber die Spielehersteller werden sich wohl weiterhin daran orientieren, was sich am besten verkauft.

Endresultat des Kongresses war auf alle Fälle: Die FSK reicht zum Schutz der Kinder und Jugendlichen völlig aus.

Was ist mit den Amokläufen?

Ja, es ist tragisch, was da nun schon mehrmals passiert ist. Aber ist es nicht ein bisschen zu einfach, die Schuld dafür einfach den Computerspielen in die Schuhe schieben zu wollen? Macht man es sich da nicht ein bischen zu einfach?

Natürlich ist das sehr bequem, denn die meisten anderen Erklärungsansätze tragen irgendwie einen bitteren Beigeschmack von leichten Schuldgefühlen mit sich. Es ist immer einfacher jemand anderen zu hassen, als möglicherweise Fehler an sich selbst erkennen zu müssen.

Ja, die meisten der Amokläufer hatten ein Shooterspiel installiert. Aber reicht das wirklich als Zusammenhang aus, um da Verbindungen zu Erfinden, deren Existenz die Experten abstreiteten?

Erst vor kurzem hat das UNICEF-Forschungsinstitut Innocenti einen Bericht mit dem Titel "Child poverty in perspective: An overview of child well-being in rich countries" herausgegeben. Dabei wurde das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen aus reichen Ländern in sechs verschiedenen Dimensionen gemessen: 1. Materielles, 2. Gesundheit und Sicherheit, 3. Ausbildung, 4. Familie und Beziehungen, 5. Verhalten und Risiken, 6. Subjektives Empfinden.

Deutschland belegte dabei insgesamt nur einen leicht unterdurchschnittlichen Platz. Wir wollen uns nun ganz besonders den Punkt 4. Familie und Beziehungen ansehen. Und da die Frage 4.2b: Fünfzehnjährige wurden gefragt, ob sich ihre Eltern öfter als einmal pro Woche die Zeit nehmen einfach nur mit ihnen zu reden. In Ungarn antworteten über 90% der Kinder mit "Ja". In Deutschland waren es nur knapp über 40%. Damit ist Deutschland das absolute Schlusslicht aller 25 OECD-Nationen in welchen die Umfrage durchgeführt wurde. Fast zwei Drittel der Eltern reden fast gar nicht mit ihren Kindern.

Des weiteren waren alle Attentäter Aussenseiter und Mobbing-Opfer. In vielen Fällen wussten die Lehrer davon, haben aber nichts unternommen. In seinem Abschiedsbrief schreibt der letzte der Amokläufer, er habe in der Schule und allgemein nur eine einzige Sache beigebracht bekommen: Dass er ein Versager sei. Er bezeichnet sich selbst als Individualist, der dafür gehasst wird, nicht mit der gesellschaftlich verlangten Norm konform zu gehen. Er sieht sich als Opfer, er hasst alle anderen Menschen und behauptet sie hätten ihm keine andere Wahl gelassen, es wäre sein einziger Ausweg.

Aber natürlich liegt die Ursache nur in dem Computerspiel, in welchem er seinen Amoklauf schon lange geplant und geübt hat. Das seine mehrfach getätigten Selbstmorddrohungen von Lehrern und Mitschülern ignoriert wurden, dass er seit seinem ersten Schultag ein Mobbing-Opfer war und niemand jemals etwas dagegen unternommen hat, dass er Zugang zu einem ganzen Arsenal an Waffen hatte ... nein, das alles kann natürlich keine Auswirkungen gehabt haben. Die Schulen, die Erziehung, die Lehrer ... niemand kann etwas dafür. Ganz alleine irgendwelche Programmierer sind schuld, die aus Profitgier aus Kindern Wahnsinnige machen. Ganz bestimmt.

Fazit

Tja, nach diesem Kongress kehrte etwas Ruhe ein, bis die Diskussion durch den erneuten Amoklauf wieder neu angeheizt wurde. Traurigerweise wurden wieder genau dieselben Vorurteile, dieselbe Panikmache und die selben Falschinformationen verbreitet, die man nach dem Kongress bereits der Vergangenheit anrechnete. Der Wähler hat die Wahrheit doch schon längst wieder vergessen ... Und wenn es um die Stimmen geht, ist jedes Mittel recht.

Vielleicht sollte man statt den Computerspielen lieber diese schäbige Art der Panikmache und Angstmanipulation gesetzlich verbieten lassen ...

geschrieben von streitmonolog | 36 Kommentare | kommentieren

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