Dabei achteten die Entwickler immer darauf, ein Höchstmaß an „overall
polish“ zu erreichen, d.h. das Spiel zu jedem Zeitpunkt motivierend, fordernd,
interessant und fair zu gestalten, ohne Unterbrechungen des Spielflusses. Um
dieses Maß an Perfektion zu gewährleisten durfte der Releasetermin
genauso mehrfach verschoben werden, wie Spieler permanent vom Online- spielen
auszuschließen, die sie sich durch illegale Hacks unfaire Vorteile im
Onlinespiel verschafft hatten. Eine ausgereifte Technik war ohnehin eine Selbstverständlichkeit.
Zusätzlich zeichneten sich ihre Spiele durch ein äußerst einfach
zu erlernendes Bedienkonzept aus, dessen perfekte Beherrschung die eigentliche
Herausforderung darstellte („easy to learn, hard to master“). Anstatt
sich mit unsinnigen und schwer zugänglichen Menüs und Funktionen aufzuhalten,
konnte der Spieler intuitiv Zugang zum Game finden und sich auf das eigentliche
Spielgeschehen konzentrieren.
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein dass, entgegen den Verheißungen
des Titels, bisher nur von Blizzard die Rede war und dazu noch in der Vergangenheitsform,
so als würde es diese Firma nicht mehr geben. Nun, es gibt die Firma noch.
Aber gibt es ihre Ideale ebenfalls noch?
Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, diese Frage eindeutig zu beantworten.
Doch die Anzeichen, dass die Vorzeigeschmiede der PC-Spiele ins Wanken gerät,
werden deutlicher. Seit sich Mitte 2003 einige der wichtigsten Diablo- und Starcraft-Entwickler
von Blizzard abwandten um die Flagship Studios zu gründen, gab es noch
2 andere Abwanderungswellen ehemaliger Blizzardmitarbeiter, um die Firmen Castaway
und jüngst die Red 5 Studios, sowie Hyboreal Games zu gründen. Nachdem
Blizzard 1998 von Vivendi aufgekauft wurde und die Fäden in der Hand hielt
expandierte die Firma nicht nur enorm, sondern sorgte auch für ein verändertes
Klima in der Firma und weniger Mitspracherecht der Entwickler in Bezug auf die
Richtung die die Firma einschlagen solle. Dies führte u.a. dazu, dass viele
des „alten Kerns“ bei Blizzard kündigten, um an ihren eigenen
Projekten zu arbeiten. Es sieht ein bisschen so aus, als verließen die
Ratten das sinkende Schiff.
Ein Jahr später erklärte Roper der Schritt ihren Mutterkonzern zu
verlassen sei ihnen nicht leicht gefallen, doch als sie feststellten Vivendi
würde sie lieber feuern als mit ihnen über ihre Bedenken zu reden,
entschlossen sie sich eine eigene Firma zu gründen, die ihren Vorstellungen
von Teamwork und Mitentscheidungsrecht entsprach. Blizzard gab verständlicherweise
in einer Pressemitteilung zu verstehen, dass ihr Erfolg niemals von einigen
wenigen Personen abhängig gewesen sei und sie auch ohne diese Mitarbeiter
zu den Besten in der Branche gehören würden. Nun, dass Blizzard auch
weiterhin gute Spiele produziert wird wohl niemand bestreiten, doch ob sie ihren
Ausnahmestatus weiterhin behält, darf bezweifelt werden.
Ohne auf das jüngste Projekt von Blizzard, World of Warcraft, genauer
eingehen zu wollen, hat sich doch seit seinem Erscheinen, zumindest für
mich, eine Ernüchterung breit gemacht. Die Patches in WoW kommen zu schnell,
die Fehler häufen sich, die Lücken im Spielfluss werden größer
und das Balancing lässt zu wünschen übrig. Meinen Account habe
ich abgemeldet, das Funkeln in meinen Augen wenn ich den Schriftzug Blizzard
lese, ist erloschen und der Thron, auf dem Blizzard für mich einst saß,
ist eingefroren. Für mich jedenfalls war der eingefrorene Thron das letzte
„echte“ Blizzardwerk.
Die Flagship Studios sind jung, zu jung, um sie als neuen Stern am Spielehimmel
bezeichnen zu können. Doch die Erwartungen sind hoch, das haben sie selbst
gesagt. Nicht weniger als „die besten der Spieleindustrie“ wollen
sie um sich scharren, und wenn man ihre Teamliste liest, dann könnte man
meinen sie sind auf dem richtigen Weg. Nachdem noch weitere Ex-Blizzard Mitarbeiter
zu den Flagship Studios gewechselt sind, u.a. der Verantwortliche für den
heiß ersehnten Diablo 1.10 Patch, könnte man fast meinen die Flagship
Studios seien bloß ein Tochterunternehmen Blizzards. Doch von dem will
man sich ja gerade distanzieren. Roper selbst ist nach eigenen Angaben mit der
Gründung des Unternehmens äußerst zufrieden und sagt rückblickend
es sei das spannendste und bedeutsamste Ereigniss in seiner Karriere gewesen
und die Motivation und Zuversicht sei auf einem Höchststand. Er gab weiter
zu verstehen, dass er sich keine geeignetere Umgebung vorstellen könne
um seine neuen Spielevisionen zu verwirklichen. Das Team in seiner kreativen
Zusammenarbeit sei das Beste, mit welchem er je gearbeitet habe. Klingt viel
versprechend für mich, wenn man bedenkt, dass Roper auch früher bereits
mit den Besten der Branche zusammen arbeiten durfte.
Zu ihrem Erstlingswerk, Hellgate:London, sind mittlerweile viele Details bekannt
geworden, und auch wenn es noch viele Fragen zu beantworten gibt, so ist doch
das Wichtigste bereits zwischen den Zeilen zu erkennen: An Hellgate:London schraubt
ein Team, dass seine ganze Leidenschaft einbringt, ein Spiel zu kreieren, welches
sie selbst 24:7 in ihren Träumen zocken möchten, Stunde um Stunde….
Die Prämissen, unter denen ein Spiel entwickelt werden sollte, scheinen
an Hellgate:London direkt beobachtbar zu sein: Die Grenzen des Action-RPGs werden
neu ausgelotet, und so wird das Spiel aus der Sicht eines Egoshooters gespielt,
was für eine einmalige Atmosphäre sorgen soll. Der Grad an zufallsbasierten
Elementen soll bisher nicht gekannte Ausmaße annehmen und Level, Items,
Quests und sogar Skills mit einschließen. Vieles ist noch unklar, und
auch den Fehler, ein in Entwicklung befindliches Spiel nach seinen Versprechungen
auf dem Papier zu beurteilen, sollten wir nicht begehen, denn die Vergangenheit
trägt genug Beispiele, in denen Wunschdenken der Entwickler und resultierende
Ergebnisse nicht vereinbar waren. Doch letztlich werden die Flagship Studios
nicht darum herum kommen die Fangemeinde mit einem real spielbaren Meisterwerk
zu überzeugen. Apropos real spielbar: So langsam fängt auch meine
Nase an zu jucken, die den klaren Duft der Beta in der Luft verspürt, der
sich aus einer nicht allzu weiten Zukunft langsam durch die dunklen Gassen Londons
in Richtung Spieler bewegt. Warum? Weil zum momentanen Entwicklungszeitpunkt
die Struktur des Spiels im Wesentlichen fertig ist und fieberhaft daran gearbeitet
wird, diese mit Inhalten zu füllen…und das ist der Wohlgeruch von
Beta.
Es wäre ein zu gewagter Blick in die Zukunft, um schon jetzt die Flagship
Studios und Hellgate:London in Kultstatus zu erheben, doch eins steht fest:
Die Voraussetzungen für einen Erfolg ihres ehrgeizigen Projekts sind gegeben.
Es wird sich zeigen, ob die Firma ihrem selbst gegebenen Namen gerecht wird,
an dem sie sich offenbar völlig schamlos messen lassen möchte.
Spätestens nächstes Jahr um diese Zeit, wenn die Flagship Studios
bekannt geben, dass sich der Release noch um ein weiteres Jahr verzögern
wird, wissen wir Bescheid: Von Spielern für Spieler.
In diesem Sinne: Der König ist tot, es lebe der König!
Euer, Celmo
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