Hellgate: London Selbstwertgefühl Spieler

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Siegerpsychologie

Dass die Erfolgsmomente einen entscheidenden Beitrag zum Spielspaß liefern und somit einen Großteil der Spielmotivation ausmachen haben wir ja bereits in der Kolumne "Warum spielen wir, und sind RPGs wettkampftauglich?" ausführlich erörtert. Nun gehen wir aber noch einen Schritt weiter und fragen uns warum diese Erfolgserlebnisse denn so wichtig für uns sind, und was für Auswirkungen sie in unserem Innersten haben. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Erfolge steigern unseren Selbstwert. Aber wie funktioniert das?

Der Selbstwert oder das Selbstwertgefühl eines Menschen ist einer der entscheidensten Einflüsse darauf ob man glücklich oder unglücklich ist. Umso positiver der Selbstwert umso angenehmere Gefühle (Zufriedenheit, Stolz, Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Ruhe, usw.) wird ein Mensch erleben. Bei negativem Selbstwert hingegen neigt man viel mehr zu negativen Gefühlen (Unzufriedenheit, Neid, Taurigkeit, Gereiztheit, Aggression, Niedergeschlagenheit, usw.).

Enstehen tut der Selbstwert hauptsächlich aus sozialen Interaktionen, dadurch wie man von anderen Menschen behandelt und beurteilt wird. Wie man sich selbst beurteilt beeinflusst den Selbstwert zwar auch, ist aber seinerseits selbst stark vom Selbstwert abhängig, was die Sache etwas kompliziert macht.

Einflüsse auf unser Selbstwertgefühl können unter anderem auch aus Vergleichen mit anderen Menschen entstehen: Schneide ich im direkten Vergleich mit einer mir gewählten Vergleichsperson gut ab, ist das positiv für meinen Selbstwert. Ist mir die Vergleichsperson hingegen überlegen, sind die Auswirkungen negativ. Wie stark die Auswirkungen sind, hängt hauptsächlich davon ab, wie wichtig die Tätigkeit - in welcher der Vergleich stattfindet - für mich ist. Wenn ich das Rechnen liebe und das Schreiben hasse, wird es mir relativ egal wenn mein Freund in Deutsch immer zwei Notengrade besser ist als ich, während mich der eine einzige Punkt um den er mich bei der Mathe-Schularbeit übertroffen hat tierisch ärgert. Ganz besonders ärgert es mich natürlich dann, wenn Mathematik das einzige Schulfach ist, in dem ich gut bin. Das einzige Fach in dem ich immer besser war als er.

Wenn ich aber in fast allen Fächern außer Deutsch sehr gut bin, und Deutsch eben das einzige Fach ist, in dem ich schlechter bin als mein Freund - dann wird es mir nicht so weh tun, wenn er einmal bei einer Mathe-Schularbeit um einen Punkt besser ist als ich. Ich werde mich mit ihm freuen, ihm zu seiner Leistung gratulieren und ihn beglückwünschen. Die "Niederlage" schadet meinem Selbstwertgefühl nicht, weil ich ja noch genug andere Fächer habe, in denen ich Erfolge mache, aus denen ich Selbstwert beziehen kann. Die Wichtigkeit der Vergleichstätigkeit hängt also ganz stark davon ab, wieviele andere Möglichkeiten man sonst noch besitzt um die für den Selbstwert so wichtigen Erfolge zu verzeichnen.

Ist die Mathematik aber mein Einziges Fach in dem ich Erfolge Verzeichne, dann ist es viel, viel wichtiger darin Erfolg zu haben, denn diese Erfolge müssen all die niederschmetternden Beschämungen aus den ganzen anderen Gegenständen wieder aufwiegen. Diese Erfolge müssen all das kompensieren, was mir anderswo verwehrt bleibt.

So, und nun legen wir diese ganzen Überlegungen auf den Bereich der Computerspiele um. Die schnellen Denker unter euch ahnen vielleicht schon worauf ich hinaus will, und lassen ihre Kinnladen ob der Ungeheuerlichkeit meiner Gedanken auf die Tischplatte fallen.

Die Computerspiele stellen nun also nichts anderes als eines dieser Tätigkeitsfelder die man zu solchen Vergleichen heranziehen kann (aber nicht muss), dar. Jeder Sieg über einen anderen Spieler ist Balsam für die Seele, jede Niederlage Gift für das Ego. Besonders wenn einem das Spielen sehr wichtig für den Selbstwert ist.

Umso weniger andere Erfolge man in seinem restlichen Leben verzeichnen kann, desto wichtiger wird der Sieg im Spiel.

Umso geringer das Selbstwertgefühl des Spielers...

...desto verbissener wird er um sein so seltenes Erfolgserlebnis kämpfen.
...desto mehr wird er bei seiner Niederlage heulen und jammern, oder gar in Zorn und Wutausbrüche verfallen.
...desto mehr wird er die Schuld seiner Niederlage in äußeren Umständen (Lag), übervorteilung des Gegners (reines Glück, unfaire Klassen/Maps/etc.) oder möglichen Regelbrüchen (Cheater!) suchen um dadurch keine Unterlegenheit eingestehen zu müssen.
...desto schlechter und niedergeschlagener (oder zorniger) wird seine Laune bei wiederholten Niederlagen.
...desto überheblicher wird er seinen Sieg feiern und sich selbst bei einem Erfolg bejubeln und damit angeben.
...desto mehr wird er seine Gegner im Siegesfall runtermachen (Looser, Noobs, etc.)
...desto mehr wird er bei einem Erfolg seinen eigenen Verdienst am Spielausgang (Skill) hervorstreichen.

Spieler mit einem positiven Selbstwert, die nichts zu kompensieren brauchen, haben wohl kaum einen Grund sich dermassen in die Sache reinzusteigern. Denen geht es noch mehr um den Spielspaß an sich, als weniger um die Siegesfreude, darum haben sie keinen Grund länger zu Spielen als der Spielspaß anhält. Bevor es nervig wird steigen sie einfach aus, auch wenn sie noch nicht gewonnen haben.

Ohne den Siegeszwang kann man auch ruhig und gelassen verlieren, dem Sieger sogar noch zu seinem Erfolg gratulieren. Hauptsache das Spiel war spannend und hat Spaß gemacht, manchmal gewinnt man, manchmal verliert man, was solls? Für eine gute Statistik sollte man zwar nicht zu oft verlieren, aber wen kümmert schon die Statistik? Nur Leute die etwas beweisen müssen, sich selbst und anderen. Leute die glauben mithilfe einer Liga oder Ladder aus ihren Siegen noch ein paar zusätzliche Erfolgserlebnisse rausquetschen zu können.

Sobald man sich selbst Erfolgsdruck auferlegt bleibt der Spielspaß auf der Strecke. Dann macht nur mehr der Sieg Spaß, die Niederlage nicht, und das Spielen selbst wird zu einer Vorarbeit die man für den Sieg leisten muss.

Und wenn das Spielen selbst erstmal keinen Spaß mehr macht, sind wir noch stärker von den Siegen - unserem einzigen Spaßfaktor - abhängig als zuvor. Und hier stellt sich mir die Frage: Sollte ein Spiel wirklich so ernst werden? Sollte es nicht eine lockere, entspannende Freizeitbeschäftigung sein bei der wir uns vom Stress des Tages erholen können? Brauchen wir wirklich eine Liga und eine Ladder und leuchtende Abzeichen auf den Charakteren um Spaß am Spiel zu haben? All diese Möglichkeiten um sich mit anderen zu vergleichen, Siege davonzutragen, sagen zu können: "Hey, da bin ich besser!"... Und es kommt immer mehr und mehr. Wer kauft schon heute noch Spiele die diese Möglichkeiten nicht bieten? Nichts ist beliebter als Wettkampfspiele in denen man sich endlos mit anderen Spielern vergleichen kann um hoffentlich hier oder dort einen kleinen Bonus für das eigene Ego herauszuschanzen. Sind wir Spieler tatsächlich alle im RL so große Versager, dass wir so etwas wirklich so dringend nötig haben?
Es scheint so...

geschrieben von streitmonolog | 34 Kommentare | kommentieren

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