Hellgate: London Eine Story von Loyd, dem Helden im Hellgate-Universum.

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Der Schläfer

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Teil 20: Heldentum

Schweigend saß Lloyd auf den schimmligen Polstern der Sitzbank und starrte durch die zerbrochene Scheibe ins Freie. Für diese Nacht hatten sie es sich im Inneren eines alten U-Bahnwaggons gemütlich gemacht. Kein ungefährlicher Ruheplatz, aber zumindest stand der Waggon nicht mitten im Tunnel sondern etwas abseits der Gleise in einer größeren Nische in der Tunnelwand. Wie er dorthin gelangt war, konnten sich die drei nicht erklären. Die meisten der Fenster waren noch intakt und so verdreckt, dass es unmöglich war durch sie hindurch etwas zu erkennen. Trotzdem war die Wahrscheinlichkeit hier Nachts von Dämonen überrascht zu werden relativ groß, doch etwas besseres hatte sich nicht finden lassen. Lloyd hoffte, dass der Tunnel im Notfall wenigstens in eine Richtung eine Fluchtmöglichkeit bot.

Lloyd hörte ein leises Knarren hinter sich, aus dem Inneren des Waggons. Es überraschte ihn nicht, dass sich wenige Sekunden später Avena an seine Seite setzte. Auch wenn ihm der Wachdienst für diese Nacht zugeteilt worden war, hatte er doch gewusst, dass sie nicht schlafen würde. Vorsichtig kuschelte sie sich an ihn, legte ihren Arm um seinen Rücken und senkte müde ihren Kopf an seine Schulter. Ihre Rüstungsteile hatte sie offensichtlich abgelegt. »Woran denkst du?«, fragte sie mit ihrer zarten Stimme, aber Lloyd wusste im ersten Moment keine Antwort zu geben. »Machst du dir immer noch Gedanken wegen dieser Vision mit der Erwachten?« »Ich... « begann Lloyd nachdenklich, schwieg dann aber wieder. Scheinbar nahm Avena an, dass er nicht darüber sprechen wollte, also lies sie das Thema ruhen.

»Du hast mich heute sehr beeindruckt.«, wechselte sie die Richtung der Unterhaltung. »Als du meintest wir müssten weiter zum Höllentor, wir könnten nicht umdrehen... Sogar Pretor hat sich gefügt, ohne ein einziges Wort des Widerstandes zu äußern. Selbst wenn es mein Vorschlag gewesen wäre, hätte er sich lautstark darüber beschwert, obwohl ich ranghöher bin als er. Und du... Du hast noch nichtmal das Basistraining abgeschlossen. Kaum zu glauben, dass er sich von dir befehlen lässt.« Lloyd musste unwillkürlich grinsen. Aber sie hatte recht, Pretors Reaktion war unerwartet gewesen. »Weißt du...«, begann Avena nach einer kurzen Pause, »Finn konnte fühlen, dass du eine besondere Rolle zu spielen hast. Ich glaube ich fühle das auch... Oder vielleicht sind es auch meine eigenen Gefühle für dich, die mich in dieser Hinsicht täuschen. Aber Pretor... Er hatte noch nie die Gabe so etwas zu erkennen. Und trotzdem... « Irgendwo in der Ferne war ein leises Plätschern zu hören, als das Wasser des noch immer anhaltenden Regens seinen Weg in den Untergrund fand. »Lloyd, ich glaube an dich.«, sagte Avena, »Und ich denke Finn und Pretor tun das auch. Du kannst diese Welt verändern.«

Lloyd seufzte tief und ließ seinen Kopf hängen. »Ich weiß es nicht... «, flüsterte er, »Ich... Ich bin kein Held. Ich bin nicht so stark wie Pretor und kann auch bei Weitem nicht so gut schießen wie er. Auch die Magie... Wenn ich auch ein Talent für sie haben mag, unter Kontrolle habe ich sie nicht. Viel eher sie mich.« Er nahm Avenas Hand in seine und streichelte sie. »Diese Sicherheit, die ich heute ausstrahlte... Ich fühle sie nicht mehr. Ich zweifle... An mir selbst, an meiner Entscheidung, daran ob ich das Richtige tue. Ich habe das Gefühl ich gehöre nicht hierher. All diese Kämpfe, die ständige Gefahr... Ich habe einfach nicht die Nerven dafür. Ich habe große Angst.« Avena richtete sich auf, und blickte Lloyd tief in die Augen, sagte aber nichts. »Ich weiß nicht ob ich das kann. Ich weiß nicht ob ich das Aushalte. Ich... « Lloyd kam ins Stottern. »Ich bin nicht dafür gemacht. Ich bin kein Held. Ich will es gar nicht sein.«

Avena nahm seinen Kopf, legte ihn an ihre Brust und umarmte ihn fest. Lange Zeit schwiegen sie Beide, dann sagte Avena: »Natürlich bist du ein Held, Lloyd. Ein größerer als du selbst für möglich hältst. Zum Helden wird man nicht geboren, und Held ist man auch nicht wenn man größer, stärker oder besser im Kampf ist, als alle anderen. Auch wenn viele Filme uns das gerne glauben machen wollen. Aber das was den Helden über andere Menschen erhebt ist nicht seine Größe, seine Körperkraft oder seine Übung im Kampf. Das was einen Helden von anderen Menschen unterscheidet ist, dass er weitergeht wo andere umkehren würden. Das er weiß was er zu tun hat, und das tut. Allen Widrigkeiten und Widerständen zum trotz. Helden sind Menschen die ihren Weg erkennen und ihn gehen, egal welches Opfer sie dafür zu bringen haben.« Lloyd hob seinen Kopf, Tränen in den Augen. Vor seinem geistigen Auge erwachten die Bilder von Avenas Leichnam erneut zu leben. Und wieder beobachtete er sich selbst, über ihre sterblichen Überreste gebeugt. »Nein!«, sagte er, nun heulend, »Das kann ich nicht. Das Opfer, das von mir verlangt wird, ist zu groß!« Avena sah ihn traurig an. »Tu es für mich!«, flüsterte sie.

Diese Worte trafen Lloyd wie ein Hammerschlag und er glaubte das Bewusstsein zu verlieren. »Tu es für mich!« Doch er kämpfte sich wieder empor, aus der Nacht die ihn zu umnebeln versuchte. Plötzlich schreckte er hoch und war wieder voll bei Sinnen. Avena schlief an seiner Schulter. Hatte er geschlafen? War er doch Ohnmächtig geworden? Er konnte sich nicht mehr erinnern... Nach dem »Tu es für mich!« folgte nur noch tiefe Schwärze in seinem Bewusstsein. Hatte er das Gespräch am Ende nur geträumt? So wie das Gespräch mit der Hexe? Lloyd konnte fühlen wie die Verzweiflung in ihm hochstieg. Ist es nicht ein sicheres Zeichen von Wahnsinn, wenn man seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertrauen kann? »Ich will nicht den Verstand verlieren«, dachte Lloyd verängstigt. »Dann konzentrier dich am besten ganz auf deine Aufgabe, und lass deine Gedanken nicht abschweifen.«, antwortete eine Stimme in seinem Kopf.

Erschrocken blickte Lloyd um sich. Er sollte doch Wache halten... Wenn sich jetzt Dämonen dem Waggon genähert hätten, Lloyd hätte sie gar nicht bemerkt. Er durfte auf keinen Fall nochmals einschlafen. Das konnte sie allen das Leben kosten. War da nicht eben ein Geräusch? Im Tunnel? Genau in diesem Moment konnte Lloyd plötzlich fühlen, wie sich in seinem Kopf eine neue Vision zu bilden begann. Lloyd versuchte dagegen anzukämpfen, denn es war wirklich gerade der denkbar schlechteste Zeitpunkt um in einer Vision zu erstarren. Lloyd glaubte noch tapsende Schritte in der Dunkelheit erlauschen zu können, dann schwemmte der endlose Strom der Bilder ihn hinfort.

Lloyd schwebte im Dunkeln, und er war nackt. Eisige Kälte kroch bis tief in seine Knochen und er war völlig allein. Kein Licht, kein Geräuscht, kein Luftzug. Absolute Leere schien in zu umgeben. Dann sah er plötzlich einen Dämon vor sich. Eine kleine, verunzierte Gestalt, mit grotesk proportionierten Gliedmassen, übergroßen Klauen, Hufen und Hörnern. Böse Intelligenz glitzerte in den Augen des Monsters, während es Lloyd von Kopf bis Fuß zu mustern schien. Langsam näherte es sich ihm, und plötzlich konnte Lloyd den Atem dieser Schreckensgestalt in seinem Gesicht fühlen, und den Verwesungsgeruch darin riechen. Übelkeit überkam ihn, und Lloyd wollte schon sein letztes Gebet sprechen, doch dann veränderte sich etwas. Zuerst konnte Lloyd gar nicht wahrnehmen worin diese Änderung bestand, doch dann wurde es langsam offensichtlich. Der Dämon wirkte nicht mehr so bösartig, seine Augen nicht mehr so verzerrt. Die Schuppen auf seiner Haut wurden Flacher, die Proportionen seiner Arme und Beine normaler, sein Aussehen humanoider. Es war dieselbe Verwandlung die Lloyd nun schon so oft in seinen Träumen erlebt hatte, nur dass sie diesmal rückwärts lief. Das Wesen schrumpfte, bis es nur noch halb so groß war wie Lloyd und verwandelte sich Schritt für Schritt in eine menschliches Mädchen. Vielleicht acht Jahre alt. Die Hörner auf der Stirn verschwanden zuallerletzt.

Zotteliges schwarzes Haar umrahmte ihr Fein geschnittenes Gesicht, und ihre großen Dunklen Augen startten Lloyd an, mit einem Ausdruck, den er nicht so recht deuten konnte. Irgendetwas an diesem kleinen Mädchen erinnerte ihn an Avena. Die Augen. Sie hatte genau dieselben, faszinierenden Augen. So könnte Avena tatsächlich ausgesehen haben, als sie noch jung war. Der Gesichtsausdruck des Mädchens wandelte sich und ihre Augen weiteten sich. Angst. Irgendetwas machte ihr große Angst. Hilfesuchend streckte sie ihren Arm nach Lloyd aus. Er wollte nach der Hand der kleinen Avena greifen, doch sein Arm war zu kurz und er schaffte es nicht sich ihr zu nähern. Ein stummer, geräuschloser Schrei entwich ihrer Kehle, während sie tiefer in die Dunkelheit hinabgezogen wurde, bis Lloyd sie schließlich nicht mehr sehen konnte.

Lloyd erwachte, und blickte direkt in die Augen des Dämons aus seiner Vision. Doch diesmal war er wach. Er saß auf der Bank im U-Bahnwaggon, und Avena schlief an seiner Schulter. Der Dämon stand direkt vor dem Fenster durch das Lloyd raussehen und Wache halten sollte, und bewegte sich nicht. Angstschweiß bildete sich auf Lloyds Stirn. Jede Bewegung konnte das Monster zu einem Angriff reizen. Avena neben ihm trug keine Rüstung. Vergeblich tastete Lloyd nach seiner Waffe. Zu seinem Erschrecken musste feststellen, dass er sie scheinbar fallen lassen oder zur Seite gelegt hatte. Wenn er sich zuviel bewegte, konnte es sein, dass er den Dämon zum Angriff verleitete oder Avena weckte, was wieder den Dämon zum Angreiffen provozieren mochte. Lloyd wusste nicht was er tun konnte, und Panik machte sich in ihm breit.

Plötzlich hob der Dämon einen Arm und streckte ihn hilfesuchend in Lloyds Richtung, ganz genauso wie es das Mädchen in seiner Vision getan hatte. Dann senkte er die Klaue wieder, drehte sich um und trottete ohne sich nochmals umzusehen in die Dunkelheit davon. Lloyd starrte ihm noch lange hinterher.

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geschrieben von streitmonolog | 102 Kommentare | kommentieren

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